In der Corona- Krise steht vieles unter umgekehrten Vorzeichen. Was früher selbstverständlich war und gut tat, geriet ins Abseits. So wie gemeinsames Singen in einem Chor, das wegen der Infektionsgefahr durch Viruspartikel nicht mehr möglich war. Seit Kurzem dürfen Laienchöre in Bayern wieder proben — so auch die Chorvereinigung Haar mit bestimmten Abstands- und Lüftungsregeln...
Haar - Wenn der Lehrer bei einer Unterrichtsstunde via Videokonferenz seine Schüler stummschaltet, mag das von Vorteil sein. Treffen sich Mitglieder eines Chores virtuell zu einer Probe, bei der die Sänger jeweils auf leise gestellt sind, dann klingt das nicht nach einer erfolgversprechenden Probenarbeit. „Wenn jeder nur für sich singt, ohne einander zu hören, kann ich irgendwann all die Fehler wieder ausbügeln. Zudem klappt das Singen bei einer Videokonferenz nur bedingt wegen der Zeitverzögerung. Wir haben solche Treffen eher genutzt, um einander zu sehen und ein wenig zu ratschen“, erzählt der Leiter der Chorvereinigung Haar, Michael Clemens Frey. Doch die Corona-Zwangspause ist vorbei, Laienchöre dürfen sich in Bayern seit dem 22. Juni unter strengen Hygieneauflagen wieder treffen, um gemeinsam zu singen. „Dass wir jetzt wieder richtig proben dürfen, ist für uns eine sehr große Freude“, sagt Frey. Die Räume, in denen die Chorproben stattfinden, müssen regelmäßig gelüftet werden. Und die Sänger müssen sich so platzieren, dass zwischen ihnen mindestens zwei Meter Abstand sind. Wissenschaftler des LMU Klinikums München und des Universitätsklinikums Erlangen untersuchen seit Wochen die Corona-Ansteckungsrisiken beim Singen. Wie verteilen sich größere Tröpfchen und Kleinstpartikel, die sogenannten Aerosolen, beim reinen Singen, beim Sprechen und beim Singen von Texten im Raum? Die Messungen ergaben, dass Chormitglieder zu ihren Kollegen nach vorne einen größeren Abstand als zur Seite einhalten sollten. Vorausgesetzt, der Raum wird so oft wie möglich gelüftet, damit die Aerosole durch Frischluft entfernt werden kann. Noch besser wären laut der Wissenschaftler Trennwände zwischen den Sängern. Aber das wäre ja für einen Laienchor eine Auflage, die schier nicht einzuhalten wäre. Weitere Tests ergaben, dass das Infektionsrisiko auch gesenkt werden könne, wenn die Sänger Masken tragen. Und genau so hat es Chorleiter Michael Clemens Frey bei den ersten Proben mit der Chorvereinigung gehandhabt.
Singen ist auch mit Maske möglich
„Wir dürfen wieder singen, das ist die Hauptsache! Da erfülle ich die Kleinigkeiten an Auflagen gerne“, so Frey, der insgesamt fünf Chöre leitet. Er bat seine Sänger demnach, bei den Proben Masken zu tragen. „Es ging überraschend gut“, berichtet Frey. Sogar bei der ersten Probe des Haares Chores, die draußen auf dem Schulhof stattgefunden hat, hätten Freys Sänger Masken getragen. „Der Gesang ist natürlich etwas leiser, wenn alle Masken tragen. Und da jeder in Entfernung vom anderen steht, singt er auch leiser als sonst.“ Doch zu jammern hätte er nichts, so Frey. Denn: „Es war trotz der Masken ein vornehmlich schöner Klang!“ Künftig stelle er seinen Chormitgliedern frei, ob sie auch Masken tragen wollen. Ebenso habe er für all diejenigen vollstes Verständnis, die sich noch nicht wieder zu einer Chorprobe trauen. „Niemand muss sich bei mir entschuldigen, wenn er derzeit noch nicht kommen mag“, sagt er. In kleinerer Besetzung trifft sich die Chorvereinigung Haar somit wieder mittwochs zur Probe in der Mittelschule an der St.-Konrad-Straße. „Die Augen meiner Chormitglieder strahlen beim gemeinsamen Singen so wie Kinderaugen an Weihnachten“, erzählt der Chorleiter. „Wir freuen uns alle so sehr, dass wir wieder zusammen singen dürfen. Und das Singen mit Maske ging so viel besser als befürchtet.“ Frey weiß allerdings auch, dass er großes Glück mit seinen Proberäumen hat. Ihm stehen im Gegensatz zu manch anderen Chorleitern für all seine fünf Chöre Räume zur Verfügung, die groß genug sind, um unter Corona-Auflagen wieder proben zu dürfen. Fand die erste Probe der Chorvereinigung Haar noch draußen im Freien statt, hätten sie für die zweite gemeinsame Probe schon die Schulaula genutzt. So kann die Probe der Haarer Sänger wieder Woche für Woche stattfinden — unabhängig davon, ob das Wetter mitspielt. Und das ist auch gut so, denn die Freude derer, die zur Probe kämen, sei riesengroß. „Vielen ist jetzt in der Corona-Zeit bewusst geworden, was ihnen das Singen, die Teilnahme an einem Chor, eigentlich bedeutet.“ Von daher will Frey auch von einem Chorsterben nichts wissen. Ganz im Gegenteil: Die Begeisterung, wieder zusammen singen zu können, sei ungebrochen. Klar, zum gemeinsamen Singen gehören für gewöhnlich auch Auftritte. Doch geplante Konzerte sind coronabedingt nun vorerst abgesagt. So gibt es für die Aufführung von Johann Sebastian Bachs Matthäus- Passion noch keinen neuen Aufführungstermin. „Dennoch überlegen wir, ob und in welcher Form wir heuer in Haar etwas Konzertartiges machen können“, verrät Frey. Doch er schiebt auch hinterher, dass das Planen schwer sei. So sind auch für Aufführungen neue Konzepte gefragt: „Es gibt da zum Beispiel das Kranzlsingen. Kleinere Gruppen, vokal und instrumental, singen wie bei einer Fronleichnamsprozession an verschiedenen Stationen und zirkeln so durchs Dorf. So ein Kranzlsingen wäre zum Beispiel eine Idee für Haar in der Adventszeit“, so der Chorleiter. Es bedarf also neuer Ideen, aber so lange sich etwas regt und gemeinsam gesungen werden darf, ist Frey guter Dinge.
Verena Rudolf
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