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Tuesday, September 8, 2020

Strafanzeige gegen den Ehrenkommissar - Süddeutsche Zeitung

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Damit hat der Ehrenkommissar der bayerischen Polizei nicht unbedingt rechnen müssen: Kaum ist Peter Paul Gantzer nach Jahrzehnten in der großen Politik aus dem Landtag ausgeschieden, muss sich der 81-Jährige vor der Polizei wegen Äußerungen über einen politischen Kontrahenten erklären. Haars Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) hat Gantzer wegen übler Nachrede angezeigt, weil dieser ihn öffentlich der Vorteilsannahme bezichtigt haben soll. Der mit jahrelanger Erfahrung und als Anwalt und Notar auch mit juristischem Sachverstand reich beschlagene Politfuchs hatte Bukowski in der Sitzung am 21. Juli vorgehalten, sich nach dem Kauf eines Autos als Bürgermeister für ein Werbefoto hergegeben zu haben.

Gantzer war 40 Jahre lang, von 1978 bis 2018, Mitglied des bayerischen Landtags und er hat sich als Sozialdemokrat noch mit CSU-Politikern vom alten Schlag wie einem Franz Josef Strauß auseinandergesetzt. Als nun sein Name bei der Kommunalwahl in Haar ziemlich weit hinten auf der SPD-Liste auftauchte, wunderte sich der eine und andere, aber mit Gantzers Einzug in den Gemeinderat rechnete keiner so recht. Auch er selbst nicht, wie er schließlich bekannte. Vor allem aber war nicht zu erwarten, dass Gantzer sich im Rathaus auf große Kämpfe mit der CSU einlassen würde. Schließlich geht es dort meist um Laubbläser, Bebauungspläne oder Stellplatzverordnungen. Und Gantzer bekundete auch einmal, dass er im Landtag lange genug gegen die CSU gekämpft habe.

Haars Bürgermeister Andreas Bukowski sieht seine Ehre durch Äußerungen in einer Gemeinderatssitzung verletzt.

(Foto: Angelika Bardehle)

Er habe nun wirklich keine Lust auf Opposition im Haarer Rathaus. Die Hoffnung auf geruhsame Sitzungen im Ratssaal ist einige Wochen nach seiner Vereidigung als Gemeinderat zerstoben. Statt mit Strauß, Stoiber oder Seehofer befindet sich Gantzer nun mit dem Quereinsteiger Andreas Bukowski im offenen Streit; ein Streit, der beide auch noch vor Gericht führen kann. Die Polizei hat Vorermittlungen aufgenommen und Gantzer als Beschuldigten um Stellungnahme gebeten. Im Kern geht es dabei wohl vor allem um folgenden Satz Gantzers aus dem Protokoll der per Tonband aufgezeichneten Sitzung: "Die haben Ihnen einen guten Preis gemacht, vor dem Hintergrund, dass man mit Ihnen Reklamefotos machen kann. Und das geht nicht", sagte der SPD-Mann über den Autokauf des CSU-Bürgermeisters und die anschließenden Fotoaufnahmen. Später in der Sitzung relativierte Gantzer den Vorwurf, wie ebenfalls protokolliert wurde: "Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie irgendwelche Vorteile gehabt haben." Aber ein Bürgermeister sollte als kommunaler Wahlbeamter "schon den Anschein meiden, dass irgendetwas gelaufen sein könnte". Darum gehe es ihm.

Doch für Bürgermeister Bukowski ist der Vorwurf in der Welt, er nutze seine Rolle aus, um Vorteile daraus zu ziehen. "Ich fühle mich in meiner Ehre verletzt", sagte Bukowski am Montag zur SZ und rechtfertigte seine Anzeige gegen Gantzer damit, dass diese "die einzige Möglichkeit" sei, gegen dessen Vorhaltungen vorzugehen. Der 40-jährige Andreas Bukowski, der erst 2016 begann, sich in Haar in der CSU zu engagieren und der schließlich zum Überraschungskandidaten bei der Bürgermeisterwahl wurde, die er im März auch noch gewann, will sich außerdem nicht politische Unerfahrenheit vorhalten lassen. Wenn ihm Gantzer diese gerade bei dem Autogeschäft unterstelle, dann müsse er sich auch im Gegenzug fragen lassen, wie er sich trotz seiner Erfahrung zu solchen öffentlichen Vorwürfen habe hinreißen lassen.

Eine Aussprache der beiden scheiterte bisher, weil man sich nicht auf einen Termin einigen konnte. Mittlerweile gehen stattdessen Schriftsätze hin und her. Gantzer sieht sich auf diesem ihm bekannten Terrain argumentativ im Vorteil. Längst hat der Sozialdemokrat mit dem besonderen Draht zur Polizei Informationen eingeholt und seine Haltung untermauert. Er wundere sich, sagt Gantzer, dass sich Bukowski nicht besser beraten lasse. "Strafantrag statt Zusammenarbeit?", hat Gantzer ein sechsseitiges Schreiben getitelt, das an diesem Montag im Rathaus einging und in dem er Bukowski dringend rät, sich auf die Ebene des "politischen Meinungskampfs" zurückzubegeben. Der Strafantrag ziele darauf ab, "meine Meinungsfreiheit einzuschränken", führt Gantzer aus. Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Auseinandersetzung im "politischen Raum" stützten die im Gemeinderat getroffenen Aussagen. Gantzer beruft sich vor allem auch darauf, sogar zwei Mal eine Unterstellung der Vorteilsannahme wörtlich von sich gewiesen zu haben. Im Vordergrund sei eindeutig die "Wertung des Anscheins der Vorteilsannahme" gestanden.

Seinem Kontrahenten Bukowski räumt Gantzer freilich "mildernde Umstände" ein, weil dieser offenkundig nicht wisse, dass in der Politik andere Mechanismen wirkten als in der Wirtschaft. Ein Bürgermeister sei kein Vorstandsvorsitzender. Es herrsche kein System von Befehl und Gehorsam. "Ich bin schon sehr lange in der Politik", schreibt Gantzer, "aber so etwas habe ich noch nie erlebt".




September 08, 2020 at 01:49PM
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Haar

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